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Das Schramberger Urbar des Rochus Merz von 1547/49
Ein textnaher Kommentar von Alfons Brauchle (†)
Eingescannt, formal bearbeitet und behutsam sprachlich und zum Teil auch inhaltlich bereinigt von Martin Dilger im Herbst 2003 und im Frühjahr 2005.
„Andere Eigenschaften“ (Folio 227R bis 229R)
„Rechte und Bräuche bei den fallbaren Lehen und Gütern“
Die einzelnen Stäbe der Herrschaft Schramberg weisen besondere Bräuche auf, wenn Lehen durch Tod, Erbschaft oder Verkauf „fallbar“ werden.
Zuerst werden die Bräuche in den drei Ämtern Schramberg, Lauterbach und Tennenbronn genannt. Dazu gehören auch die Höfe außerhalb des Fleckens Mariazell, jedoch innerhalb des Stabs Mariazell. Die Höfe (bestehend aus einem bis zu sechs Einzellehen) in diesen drei Ämtern (wie gesagt: einschließlich den „Höfen“ außerhalb des Fleckens Mariazell) sind unter dem Titel „Bodenzinsen“ einzeln beschrieben; dort ist auch die Anzahl der Hoffälle vermerkt.
Die Hoffälle richten sich nach der Anzahl der Lehengüter, aus denen das Seßlehengut zusammengesetzt ist. Aus der Anzahl der Hoffälle kann abgelesen werden, aus wie vielen Einzellehen der heutige Hof zusammengesetzt ist.
So oft nun ein Lehenträger in der Zeit, in der er das Lehen noch inne hat, abstirbt oder so oft der Bauer das fallbare Lehengut, so lange er noch gesund ist, in andere Hände gibt, z. B. an seine Erben (in der Regel an den jüngsten Sohn), oder wenn er das Gut verkauft oder auf andere Art und Weise verändert, so oft hat er die unter dem Titel Bodenzinsen eingetragene Fallzahl dem Herrn zu entrichten.
Für jeden Güter- oder Lehenfall hat der abziehende Gutsbesitzer je ein Haupt Vieh – und zwar in der Reihenfolge Rösser, Ochsen oder Kühe – abzuliefern. Hat er also beispielsweise weder Pferde noch Ochsen, dann sind eben Kühe an den Herrn abzuliefern; dabei werden die besten Tiere aus dem Stall genommen, gewöhnlich durch den Stabsvogt und einen Beauftragten des Grundherrn geschätzt. Später wurde dieses „Besthaupt“ in der Gulden-Kreuzerwährung geschätzt und der entsprechende Geldbetrag nach Schramberg abgeliefert.
Bei jeder Hofveränderung hat der abgehende Lehenträger einen Abzug von zwei Gulden, der neue Lehenträger ebenfalls zwei Gulden als Aufzug zu bezahlen. (Dieser Aufzug ist der Hofaufzug; der Ausdruck „Abzug“ erscheint auch bei den „Gemeinen Einkommen“ auf Folio 243).
Hier erscheint dann eine nachträglich (1558) eingetragene „Nota“ über die Bräuche bei den neun eingetauschten württembergischen Höfe – sieben im Stab Mariazell und zwei im Stab Schramberg. Die Mariazeller Höfe sind: der Karleshof im Hugswald, der Trosten- und der Bascheshof auf dem Unterhardt, der Wälderhof auf dem Oberhardt, sowie der Ober-(Kingjocken-), der Mittlerbauern- und der Unter-(Benedikten-)Bauer auf dem Tischneck. Die Schramberger Höfe sind: der Thößhof und der Rausteinhof. Diese Höfe wurden auch erst 1558 in das Urbar von 1547 eingetragen und zwar wie die anderen Höfe unter dem Titel „Bodenzinsen“.
Im Amt Aichhalden (Stab Aichhalden)
Gemeint sind die Höfe, die bei den Bodenzinsen unter dem Amt Aichhalden verzeichnet sind.
Wenn im Stab Aichhalden ein Lehenträger stirbt, so verfällt vom Hof dem Grundherrn in Schramberg genau wie in den vorher genannten Ämtern, von jedem Lehen (ihre Anzahl ist bei den Bodenzinsen eingetragen!) das Besthaupt.
Bei den Höfen außerhalb des Städtleins Aichhalden, also z. B. in Hinteraichhalden, Riesen usw., wird genauso verfahren, wenn der Hof bei „lebendigem Leib“ verkauft wird. Anders ist es aber im Städtlein (Vorder-)Aichhalden: Sowohl nach dem Tod des Lehenträgers wie auch beim Verkauf des Gut erhält der Grundherr für jeden im Urbar eingetragenen Fall einen Gulden, für ein halbes Lehen einen halben Gulden (30 Kreuzer), von einem Viertellehen ein Ort eines Gulden, d. h. ein Viertel Gulden (15 Kreuzer).
Im Flecken Mariazell
Gemeint sind die zwölf im geschlossenen Ort Mariazell stehenden Höfe, die besondere Freiheiten genießen. Sie bilden das Lehen des Klosters Reichenau an den Herrn von Schramberg. Wenn hier ein Lehengut verändert wird, dann sind vom Hof für jedes Lehen ein Gulden, bei halben und viertel Lehen entsprechende Teile eines Guldens zu bezahlen.
Die neuerkauften württembergischen Höfe (von 1558)
Hier werden beim Totfall als Hoffall so viele Gulden gegeben, wie unter dem Titel „Bodenzinsen“ im Urbar angegeben.
Drittel daselbst
Wenn nun ein Lehenträger nach dem Verkauf ins Ausland zieht oder wenn ein Auswärtiger ein Lehengut in der Herrschaft erwirbt (erbt), dann läßt er den dritten Teil des Erlöses von dem Gut bzw. der erbende Lehenträger zahlt den dritten Teil des Hofwerts.
„Malefizstrafen in den vier Ämtern Schramberg, Aichhalden, Lauterbach und Mariazell“ (Folio 230 bis 231R)
Mit Malefizstrafen sind die Strafen an Leib und Leben gemeint. Dabei ist nach der Halsgerichtsordnung von Kaiser Karl V. aus dem Jahre 1532 zu verfahren. Sowohl der Herr von Schramberg als hoher Gerichtsherr als auch die Untertanen haben sich genau an diese Ordnung zu halten, soweit nicht altherkömmliche und rechtmäßige Bräuche dem entgegenstehen. Der Herr bzw. sein Amtmann haben sowohl bei der Gefangennahme, bei der Folterung („peinliche Frag“) und der Beweisaufnahme als auch bei der Rechtsprechung selbst nach der genannten Ordnung zu verfahren. Die Beweisaufnahme soll, wie gefordert wird, so gut wie möglich vorgenommen werden. Alle in der Halsgerichtsordnung genannten Malefiztaten (Verbrechen) sollen so gerichtet („geacht und gehalten“) werden, wie dort festgelegt ist. Der Herr von Schramberg ist jedoch berechtigt, Revision zuzulassen und den Übeltäter zu begnadigen.
Das Malefizgericht setzt sich aus 24 Richtern zusammen, die allesamt aus der Herrschaft stammen und in den einzelnen Stäben jeweils in gleicher Anzahl von den Untertanen gewählt werden.
Wegen der Stadt Rottweil
Der östliche Teil der Herrschaft liegt im Pürschgerichtsbezirk der Stadt Rottweil. Hier war die Durchführung des Gerichts über malefizische Strafen strittig.
Zunächst ist die Westgrenze des Pürschgerichtsbezirks beschrieben, so weit sie auf dem Gebiet der Herrschaft Schramberg liegt. Die Grenzbeschreibung beginnt auf dem Tischneck (in anderen Beschreibungen bereits auf dem Oberhardt in der Nähe des Mönchhofs), geht von hier aus in der Luftlinie nach Sulgen (Sulgerberg oder Kirchturm), weiter über Hinteraichhalden bis zum Brandsteig, der bereits auf der Markung Rötenberg liegt. Der Pürschbezirk umfaßt also die Stäbe (Ämter) Mariazell und Aichhalden vollständig, sowie den Sulgener Teil des Stabs Schramberg, der später ein eigener Stab wurde.
Über die Ausübung des Gerichts wurde 1539 ein Vertrag in Dießenhofen am Hochrhein (heute Schweiz) zwischen Hans von Landenberg (1526/40 Herr von Schramberg) als dem Inhaber der Herrschaft auf der einen und der Stadt Rottweil auf der anderen Seite abgeschlossen (22. März 1539). In dem strittigen Bezirk soll das Malefizgericht von beiden Kontrahenten ausgeübt werden, und zwar jedes Jahr abwechselnd, Schramberg in den ungeraden, Rottweil in den geraden Jahren; dies solange, bis einer der beiden dem anderen dieses Recht abkauft oder austauscht. Allerdings wurde dieser Vertrag ohne Bewilligung des Kaisers geschlossen und auch der Sohn des Hans von Landenberg, Christoph von Landenberg, war nicht damit einverstanden – einer der Gründe für die 1540 aufflammende sogenannte Landenbergsche Fehde. In diesem ungewissen Zustand wurde der Vertrag von Rochus Merz beim Kauf der Herrschaft (von Christophs Erben, seinen Brüdern) übernommen.
Dabei sei bemerkt, daß in Zukunft die Rechtsprechung nach diesem Vertrag gehandhabt wurde. Leider sind für die Herrschaft nur wenige schriftliche Urteile eines Malefizgerichts erhalten. Im Stadtarchiv Schramberg liegt ein Verzeichnis mit Urteilen von 1621, 1623 und anderen Jahren.
„Malefizische Strafen im Amt Tennenbronn“ (Folio 232 bis 234)
Für Tennenbronn gelten bei der Rechtsprechung andere Bestimmungen als in den übrigen Stäben, da der Ort mehrere Obrigkeiten hatte. Tennenbronns Höfe gehörten damals zu drei verschiedenen Ämtern: teils zu Schramberg, teils zum württembergischen Amt Hornberg und teils zum (ebenfalls zum Herrschaftsgebiet Württembergs zählenden) Klosteramt St. Georgen (zu St. Georgen gehörten sieben Höfe, die heute auf Markung Tennenbronn liegen). Wie weit die St. Georgener Höfe bei der Teilung der juristischen Gewalt eingeschlossen sind, ist aus dem Urbar nicht zu erkennen [2]. Das Herzogtum Württemberg und die Herrschaft Schramberg teilten sich daher in Tennenbronn die obrigkeitlichen und auch die juristischen Rechte. Obwohl auch in Sulgau und Sulgen die gleichen Verhältnisse bestanden, wird im Urbar davon keine Notiz genommen. In den Hornberger Lagerbüchern wird jedoch die Ausübung der Rechtsprechung im württembergischen und schrambergischen (Unter-)Stab Sulgaw (Sulgau) klar behandelt.
Bereits beim Kapitel „Ober- und Herrlichkeit“ wurde dargelegt, daß Schramberg in Tennenbronn sein eigenes Amt (Stab) besitzt, zu dem alle grundherrschaftlich zu Schramberg gehörenden Höfe zählen. Dazu ist zu bemerken, daß diese bei den „Bodenzinsen“ genannten Höfe nicht geschlossen beieinander liegen, sondern einzeln oder in Gruppen über die ganze Markung Tennenbronn verstreut. Diese Untertanen sind mit aller Obrigkeit nur dem Herrn von Schramberg untertan. Ausnahme ist die Regelung der forstlichen Obrigkeit, die auf Folio 19 R bis 21 dargestellt wird. Die hornbergischen (württembergischen) Untertanen haben ebenfalls ihr eigenes Amt (Vogtei, Stab).
In Tennenbronn wird das Malefiz vor einem gemeinsamen („gemeinen“) Gericht behandelt, das beiderseits von jeweils 12 Urteilssprechern (Richtern) besetzt wird, zusammen also von 24. Diese haben nach den Bestimmungen der Halsgerichtsordnung des Kaisers Karl V. zu rechtfertigen (nach den rechtlichen Bestimmungen genau verfahren), zu klagen und zu strafen.
Welchem Amt zuerst eine Übeltat oder eine strafwürdige Mißhandlung (die Worte sind wörtlich und nicht im heutigen Sinne aufzufassen!) mitgeteilt wird, das soll den Übeltäter ergreifen und ins Gefängnis führen lassen. Dem anderen Amt (Obrigkeit und Amtleute) soll der Vorfall gemeldet werden mit Angabe der Missetat desselben („des Gefangenen Mißhandlung“). Dann soll vor dem gemeinen Gericht die Vorstellung („Fürstellung“) bzw. Vorführung, Rechtfertigung (Gerichtsverfahren) oder die Begnadigung so erfolgen, wie bereits beschrieben worden ist.
Den Stab (Vorsitz) im Gericht wechseln die beiden Vögte, der schrambergische und der hornbergische, ab. (Der Stab wird bei einer Verurteilung über dem Kopf des Verurteilten gebrochen!). Die Malefizhändel werden also durchaus paritätisch und gleich durchgeführt.
Alle Unkosten, die mit der Gefangenhaltung, dem gesamten Gerichtsverfahren und bei der Bestrafung des Übeltäters entstehen, werden von den beiden Herrschaften je hälftig bezahlt. Die bei Geldstrafen eingehenden Gelder sollen ebenfalls gleich verteilt werden, auch der möglicherweise erfolgte Abtrag, so durch Begnadigungen.
Von den St. Georgischen Höfen gehören in dieses Gericht nur die beiden Höfe oberhalb (Wirtschaft „Löwen“; damals das Seßlehen von Hans Bernhard, Wirt) und unterhalb der Kirche (damals Martin Langenbach), also nicht die anderen sechs auf heutigem Markungsgebiet liegenden Höfe: Lindenhof, Falkenhof, Eichbachhof und drei Höfe im oberen Teil der unteren Schiltach (Hubjockel, Hubchristle und Stoffelsbauer). Sie gehören zum St. Georgener Klosteramt Schiltach.
„Malefizische Strafen im Amt Langen Kirnbach“ (Folio 234R und 235)
Dieser Absatz ist für die Schramberger Heimatgeschichte nur am Rande interessant, da ja Langen-Kirnbach (heute Ortsteil der Stadt Wolfach) nur von 1552 bis 1558 zur Herrschaft Schramberg gehörte und dann gegen neun württembergische Höfe auf dem Hardt und in Schramberg ausgetauscht wurde. Dies besagt auch der erste Satz, in dem festgestellt wird, daß dieses Amt weggekommen („davonkommen“) und württembergisch geworden ist.
In Langenschiltach lag ein Vertrag zwischen Württemberg und den Vorgängern des Rochus Merz vor über die Handhabung bei Malefizischen Rechtsstreitigkeiten. Dieser wird auch auf Folio ____ dargestellt.
Der Vertrag wurde hier wörtlich eingetragen. Er beinhaltet, daß im langen Kirnbach alle westlich dieses Baches liegenden Gebiete, gleichgültig, wem sie grundherrschaftlich gehören („gegen Hornberg gelegen“), dem Hochgericht des Herzogs Ulrich von Württemberg unterworfen sind. Anders verhält es sich mit den Gütern östlich (jenseits) des Baches, sowohl auf den Gütern des Herzogs (oberhalb der Kirche), wie auf denen des Georg Lümpp (Lempp), die früher einmal dem Herrn Werner von Ehingen gehörten.
Hier werden die dazu gehörigen Lehensgüter einzeln aufgezählt:
Conrad Künstlins Gut, derzeit von Georg Schott bewirtschaftet
Wilhelm Grubers Gut, derzeit von Georg Künstlin bewirtschaftet
Simon Künstlins Gut
Das Ulrichslehen, von Claus Metz bebaut
Auf diesen vier Gütern hat der Herzog allein das Hochgericht, auch wenn sie Herrn Lempp und jetzt Rochus Merz gehören. Auf den anderen (fünf) Lehengütern haben Georg Lempp (Rochus Merz) und seine Zuverwandten (Mitbesitzer) allein das Hochgericht.
In dieser Urkunde wird auch der Wildbann im Langen Kirnbach behandelt. Darüber steht das Betreffende im Kapitel zur förstlichen Oberkeit (Folio 21).
In einem anderen Artikel dieses Vertrags steht, daß die Malefizgerichtsbarkeit auf dem Heiligengütlein, also auf dem der Kirche in Kirnbach gehörenden Gut, Württemberg allein zusteht.
[2] Dem widerspricht Brauchle allerdings einige Absätze weiter unten… [MD].