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Das Schramberger Urbar des Rochus Merz von 1547/49
Ein textnaher Kommentar von Alfons Brauchle (†)
Eingescannt, formal bearbeitet und behutsam sprachlich und zum Teil auch inhaltlich bereinigt von Martin Dilger im Herbst 2003 und im Frühjahr 2005.
„Umgeld“ (Folio 218 bis 219)
Das „Umbgeldt“ (Umgeld) wird in den Amtsrechnungen früherer Jahrhunderte und in anderen alten Akten auch als „Ohmgeld“ bezeichnet. Es war die Getränkesteuer der Feudalzeit. Berechnet wurde das Umgeld aus einem bestimmten Anteil eines Ohms Wein. Das Ohm hatte in der Herrschaft Schramberg 68 Maß, das Maß etwa anderthalb Liter.
Der Inhaber der Herrschaft Schramberg war berechtigt, dieses Umgeld von den Wirten einzuziehen. Mit Ausnahme von Mariazell bestand dieses Recht in der Herrschaft seit unvordenklichen Zeiten, was darauf schließen läßt, daß keine Urkunde über die Verleihung dieses Rechts im Archiv vorgelegen hat.
In Mariazell hatte Rochus Merz dieses Recht erkauft, wofür Urkunden („Briefe“) vorliegen. Merz soll „von neuem“ mit einer Summe Geldes dieses Recht von den Untertanen in Mariazell erworben haben. Anscheinend hatten die Mariazeller zuvor von den Wirten dort kein Ohmgeld verlangt. Seit den Zeiten des Merz waren nun alle Wirte der Herrschaft zur Abgabe des Ohmgelds verpflichtet („gübig und gleich“).
Von der Wirtschaft „in Tennenbronn unter dem Steg“ wird gesagt, daß zur Zeit der Aufstellung des Urbars dort nicht gewirtet wurde. Der diese Wirtschaft betreffende Kaufbrief ist im Urbar an anderer Stelle eingetragen.
Da mit „Steg“ wohl der sogenannte Merzensteg (das Wort hat mit Rochus Merz nichts zu tun!) gemeint, der bei der heutigen Bachwirtschaft lag.
Die Höhe des Umgelds betrug vier Maß von einem Ohm (68 Maß), also ein Siebzehntel. Der Wirt hatte diesen Anteil vom tatsächlichen Umsatz, der freilich auch mit der Höhe des Maßpreises schwankte, abzuliefern. Aus den Amtsrechnungen der Herrschaft Schramberg (ab dem Jahr 1551 teilweise vorhanden) ist zu ersehen, daß genau nach dieser Anordnung verfahren wurde.
Sobald der Wirt Weinfässer zugestellt erhält, hat er – entweder bevor oder nachdem er das Faß in den Keller gelegt hatte – unverzüglich die beiden Weinanschneider zu informieren, damit diese ihres Amtes walten und das Faß abnehmen, kontrollieren und messen können (Absinden). Bei der Übernahme der Wirtschaft hat jeder Wirt einen entsprechenden Eid abzulegen. Sollten die Weinanschneider ortsabwesend sein oder sonst nicht sofort aufzufinden, dann hat der Wirt einen oder zwei Geschworene des Gerichts („Richter“, in jedem Stab gab es zwölf davon) zu bestellen. Auf keinen Fall darf er selbst das Faß anstechen oder gar mit dem Ausschenken beginnen, bevor nicht nach der „Herrschaft Sinn“ (Herrschaftsanordnung) verfahren worden ist.
Die Weinanschneider nehmen nach der Spundenöffnung einen Kerbholzstecken (Kerbholz), führen ihn bis zum Faßboden ein und schneiden eine Kerbe in das Holz in Höhe der Weinsäule. Danach wird das Faß mit dem Herrschaftszeichen versehen, das die „ordentliche“ Abnahme bestätigt. Dieses Zeichen wird in das Faß eingebrannt. (Sinn = Anordnung der Herrschaft).
Anscheinend wurde das Kerbholz nacheinander von beiden Seiten aus eingeführt und dann gehälftet, so daß bei einer Untersuchung die beiden Hälften einwandfrei zusammen passen. Eine Hälfte behält der Weinanschneider, die andere Hälfte der Wirt; die Kerbe muß einwandfrei die Maße im Wein angeben; es darf also zugunsten des Wirts kein Maß, nicht einmal ein halbes, zu wenig gemessen worden sein, so wie es die festgelegten Vorschriften erfordern.
Der Wein wird außerdem nach seinem Wert „nach billigen Dingen“ geschätzt, d. h. wie die Weinanschneider, ohne Begünstigung oder auch Benachteiligung des Wirts, meinen. Nach dieser Festlegung hat der Wirt den Wein zu verkaufen, und nicht nach seinem Gutdünken.
Jeder Wirt hat zwei eigene Weinanschneider, denen der Wirt eidesstattlich den Einkaufspreis mitzuteilen hat. Niemand hat das Recht, eine Wirtschaft zu betreiben und Wein auszuschenken, dem es nicht vom Herrn zugelassen und erlaubt ist. Die Strafen für Übersehen dieser Anordnung oder andere Manipulationen stehen bei den „Frevelkeiten“ (siehe ab Folio 235R).
„Freiheitsbrief der Gemeinde Mariazell“ (Folio 219R bis 221)
Im Anschluß an das Kapitel „Umgeld“ ist im Urbar der Kaufbrief eingetragen, in dem verzeichnet ist, wie Rochus Merz den Untertanen aus der Gemeinde Mariazell (dazu gehören nicht die „Höfe“ außerhalb des Dorfs, also jene im heutigen Hardt) das Umgeldrecht abgekauft hat. Der Kauf erfolgte bereits am 1. September 1547, also in dem Jahr, in dem Merz den Herren von Landenberg die Herrschaft abgekauft hat. Mariazell (Dorf) war zu jener Zeit ein Lehen des Klosters Reichenau an die Schramberger Herren.
Der erste Satz, dieses Vertrags umfaßt allein anderthalb Seiten und besagt, daß sich Mariazell und Rochus Merz in dem nachfolgenden Vertrag verglichen und vertragen haben (vertragen = rechtlich besprochen und aufgesetzt).
Vogt, Gericht und Gemeinde Mariazell (d. h. alle Untertanen der Gemeinde: „wir“) bekennen und geben kund, daß sie diesen Vertrag mit Rochus Merz von Staffelfelden zum Schramberg (Staffelfelden ist eine Ortschaft bei Pulversheim im Sundgau/Oberelsaß) geschlossen haben, und zwar auch gleichzeitig für ihre Erben und Nachkommen. Sie seien dem Edlen Roch Merz wie die anderen Untertanen der Herrschaft mit aller hohen und niederen Oberherrlichkeit und Gerichtsbarkeit untertan, so wie schon seinen Vorfahren in der Herrschaft Schramberg (Landenberg, Rechberg, Ramstein, Falkenstein) und wie es die Regalien, die kaiserlichen Privilegien und Freiheiten urkundlich ausweisen. Diese Rechte bestehen seit unvordenklichen Zeiten und sind danach in ihrem Ursprung urkundlich nicht mehr nachzuweisen. Vor kurzem erst habe Merz die Herrschaft erworben und nach dem Kaufbrief wohl das Recht gehabt (Fug und Macht) gehabt, für sich auch in Mariazell ein angemessenes Umgeldt wie an den andern Orten, zu fordern und so anzusetzen, wie es in den anderen Orten gebräuchlich ist. (Dieses Recht dürfte allerdings zu bezweifeln sein, denn in Mariazell wurde bis 1547 kein Umgeld von den „Tabernen und Wirtschaften“ gefordert – und dies zweifellos nicht ohne Grund; jedoch scheinen die Mariazeller dafür keine Urkunde in Händen gehabt zu haben!).
Aus besonderer Gunst und zur Wohlfahrt des Fleckens habe er, Rochus Merz, aber mit Mariazell eine Ausnahme gemacht. Als Grund gibt Merz an, daß Mariazell wegen einem verlorenen Prozeß mit dem Kloster Rottenmünster sich hoch verschuldet habe und jetzt auch hohe Zinsen dafür bezahlen müsse. Dieser Streit war schon „vor langen Jahren“ und dabei habe es sich um eine Auseinandersetzung mit den Untertanen auf den Locherhöfen (damals zwei Höfe!) gehandelt, bei der es um die Erhaltung von „Zwäng, Bänn und andere Herrlichkeiten und Rechte“ gegangen sei, sowie um die Nutznießung der Weide. Der Prozeß wurde vor dem Kaiserlichen Hofgericht Rottweil und dem Kaiserlichen Kammergericht Speyer geführt und dort auch mit einer „Rechtfertigung“ (Urteil) schließlich (wohl nach vielen Jahren) erledigt, wobei diese bedauerliche Schuldbeladung und Verzinsung entstanden ist. Damit nun die Mariazeller auch weiterhin („baß“) ihre Höfe bewirtschaften und in Besitz behalten können, hat Rochus Merz auf eigenen Vorschlag der Mariazeller diesen Vertrag geschlossen. Die Mariazeller bestätigen dabei, daß man Merz künftighin nicht vorwerfen dürfe, daß er sie gegen altes Herkommen mit einer Neuerung beschwert (belastet) habe, sondern daß diese Neuerung ihrem „guten Willen“ entspreche.
Der Vertrag besagt dann erstens, daß Merz den Mariazellern zweihundertsieben (207) Gulden richtig und bar erlegt habe, damit sie ein aufgenommenes Schuldkapital (Hauptgut!) und in der langen Zeit aufgelaufenes „Verseß“ (Zins) bezahlen können. Als Gegenleistung erklären sich die Mariazeller bereit, künftig das Umgeld zu reichen wie die Untertanen der anderen Orte.
Im zweiten Absatz des Vertrags wird festgestellt, daß die Mariazeller im Dorf bisher zusammen mit ihren Nachbarn außerhalb des Dorfs, nämlich beim Weiher (an der Grenze zu Weiler!), zu Hugswald, Friderichsberg und auf dem Hardt (dabei nicht die sieben Bauern, die erst 1558 zur Herrschaft kamen!) jährlich fünfzehn Pfund Heller (Rottweiler Währung) dem Herrn zu Schramberg gereicht haben. Davon zahlten die Bauern innerhalb Etters (Dorf) allein fünf Pfund und dreizehn Schilling Heller, also über die Hälfte.
Vor kurzem habe nun die Ritterschaft des Viertels (Kanton) am Neckar und Schwarzwald (mit Sitz in Tübingen; Merz war einige Zeit auch Hauptmann dieses Viertels; dies ist ein Beweis dafür, daß die Herrschaft Schramberg bis 1583 eine reichsunmittelbare ritterschaftliche und freie Herrschaft war, was oft bestritten wurde, so etwa in Forderers Buch von Schramberg) für den Schwäbischen Reichskreis (zum österreichischen Kreis kam Schramberg erst 1583) von Rochus Merz und seiner Herrschaft dreihundert Gulden als Türkenhilfe gefordert, eine Abgabe, die bis ins 18. Jahrhundert immer wieder von den Reichsständen für die Bestreitung der Kriegskosten gegen die Türken verlangt wurde. Der Betrag war direkt an die Ritterschaft abzuliefern, was jedoch nicht termingerecht erfolgte und deshalb mehrmals ernstlich angemahnt wurde. Rochus Merz erklärte sich nun bereit, den gesamten Betrag allein an die Ritterschaft oder direkt an den Kaiser zu entrichten, ohne von seinen Untertanen einen Beitrag dazu zu fordern. Kurz nach Abschluß dieses Vertrags zahlte er die 3oo fl auch persönlich an den kaiserlichen Hof. Aus Dankbarkeit wegen dieses großzügigen Verhaltens versprachen die Untertanen „aus freiem Willen“, daß sie (die Mariazeller aus dem Dorf) von nun an wie alle anderen schrambergischen Untertanen dem Herrn fronen bzw. diese Fron in Geld erstatten würden. „Ohngefährde“, d. h. ohne jede böse Nebenabsicht, die etwa im Wortlaut des Vertrags enthalten sein könnte.
Die Untertanen bemühten sich um prominente Zeugen für diesen Vertrag. Dies waren Herr Hans Wolf von Habsberg (Habsburg steht nicht richtig im Urbar) zu Eisenburg und Herr Joachim von Freyburg zu Villingen. Die Freiburg erscheinen in Villinger Verträgen um diese Zeit immer wieder als Zeugen. Diese beiden Herren hängten ihre Siegel an die Urkunde. Die Einschränkung „doch Ihnen und Ihren Erben in allweg ohne Schaden“ war früher in solchen Fällen eine allgemeine Redewendung, die bedeutet, daß sie, die Zeugen, falls sich im Zusammenhang mit dem Vertrag ein Prozeß ergeben sollte, nicht einzustehen brauchen. Der Vertrag endet mit dem Datum des 1. September 1547, also dem Jahr der Niederschrift des Urbars und des Erwerbs der Herrschaft Schramberg durch Rochus Merz.
Leibeigenschaft (Folio 221R bis 227).
Auf den Seiten 221R bis 227 des Urbars geht es um die Leibeigenschaft.
Wenn ein leibeigener Mann stirbt, ist das beste Stück Vieh im Stall abzugeben („Best Haupt Vieh“), wenn keine Tiere vorhanden, dann als Ersatz die beste Kleidung.
Die Hoffälle richten sich nach der Anzahl der Lehensgüter, aus denen das Seßlehengut zusammengesetzt ist. Aus der Anzahl der Hoffälle kann abgelesen werden, aus wie vielen Einzellehen der heutige Hof zusammengesetzt ist.
In den weiteren Ausführungen des Urbars folgt dann der Begriff „Ungenössin“. Wenn ein leibeigener Mann eine freie Untertanin (oder eine Frau, die einer anderen Herrschaft leibeigen war) heiraten wollte, dann galt diese Frau als „Ungenössin“, und der Mann hatte für sie die „Ungenossame“ zu bezahlen. Unter normalen Umständen betrug die Ungenossame bis zur Aufhebung der Leibeigenschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert zwei Gulden. Der Herr war aber berechtigt, diesen Betrag bei reichen Leuten zu erhöhen, bei armen zu erniedrigen.
Der Leibeigene ist gehalten, seine Hochzeit in einer Pfarrkirche innerhalb der Herrschaft zu halten und den Herrschaftlichen Konsens für die Heirat einzuholen. Ausnahmen sind mit Erlaubnis des Herrn möglich.
Leibeigene Männer, die in der Herrschaft wohnen, brauchen keine jährliche Mannssteuer zahlen. Wer aber auswärts wohnt, muß jährlich zur Fasnacht die Mannssteuer mit fünf Schilling Heller bezahlen. Dieses Geld hatte er nach Schramberg auf das Amt bzw. das Schloß zu bringen oder zustellen zu lassen. Später wurden die sogenannten „Hennenvögte“ nach auswärts geschickt, um die Gelder dort einzuziehen. Die Praxis des Einziehens der Mannsteuer ist über die Jahrzehnte aber mehr und mehr zurückgedrängt worden. Der Aufwand war einfach zu groß. Schon im 16. Jahrhundert mußten sich Leibeigene, die die Herrschaft verlassen durften, durch Zahlung eines bestimmten Betrags ihrer Leibeigenschaft für alle Zeit entledigen, so daß in den Amtsrechnungen der Herrschaft der Punkt „Mannssteuern“ bei den Einnahmen nicht eingetragen ist.
Will ein Leibeigener die Herrschaft verlassen (etwa zur Heirat auf einen Hof im „Ausland“), so hat er diese Absicht dem Herrn anzuzeigen und die herrschaftliche Erlaubnis dazu (Consens) einzuholen. Wird ihm der Abzug erlaubt, dann hat er bei seinem Treueid die jährliche Mannssteuer ohne weitere Anforderung dem seinem Wohnort nächsten Stabsvogt der Herrschaft Schramberg zu schicken oder selbst zu bringen. Diese Abgaben haben auch seine Erben, auch wenn diese nicht leibeigen sein sollten, für ihn zu entrichten. Er hat auch den Abzug zu leisten für alles Geld, das ihm später aus der Herrschaft aus Erbschaften usw. zugestellt wird, ebenso seine Erben, soweit sie noch Gelder erhalten sollten.
Im Urbar folgt nun das sogenannte „Hagestolzenrecht“. Wer nämlich im Alter von vierzig Jahren noch Junggeselle ist und also ohne eheliche Erben sterben sollte (uneheliche Erben hatten kein Erbrecht!), der wurde zum Hagestolzen erklärt. Die wahrscheinlichste Erklärung für „Hagestolz“ ist, daß er „in den Hag gestellt wurde“, d. h. er bekam vom Hofgut für seine Lebenszeit ein eingehagtes Grundstück für seinen Unterhalt, das nach seinem Tode an den Hof zurückfällt. Stirbt der Hagestolz, dann erhält der Leibherr die Hälfte seines hinterlassenen Vermögens, die andere Hälfte geht an seine nächsten „Freunde“, also an die nächsten Verwandten (Freundschaft = Verwandtschaft). In den Amtsprotokollen werden Fälle genannt, wo Geistliche den sterbenden Hagestolz zu Legaten für Jahrtage u. ä. veranlaßten. Diese wurden als nicht rechtens erklärt.
Überaus wichtig ist die Feststellung, daß die Leibeigenschaft nicht vom Mann sondern von der Frau herrührt. Ist also in einer Ehe nur der Mann leibeigen, die Frau aber frei, dann sind die Kinder aus dieser Ehe frei. Ist die Frau leibeigen, sind alle Kinder ebenfalls leibeigen, unabhängig von einer etwaigen Leibeigenschaft des Mannes.
Der Vorteil bei der Leibeigenschaft ist der, daß der Leibherr verpflichtet ist, dem Leibeigenen mit „Schutz, Schirm, hat und aller Hilfe treulich beizustehen“. Der Freie muß sein Recht selbst suchen.
Die fünf Stabsvögte haben die Mannssteuern und alle sonstigen Gelder, welche im Zusammenhang mit der Leibeigenschaft stehen (u.a. den Abzug) von den „Auseigenen“, d. h. den auswärtigen Leibeigenen, die ihrem Stab am nächsten wohnen, einzunehmen und bei der Herrschaft abzuliefern.
Die leibeigenen Leute müssen alle in der Leibeigenschaft erzeugten Kinder jährlich dem Obervogt beim letzten Jahrgericht mit Namen anzeigen, damit sie dann im Leibeigenenbuch verzeichnet werden können (nicht jedoch die frei geborenen Kinder).
Mannspersonen
Im Abschnitt mit diesem Titel wird die Leibeigenschaft von Männern („Mannspersonen“) behandelt (Folio 221R bis 224).
Es handelt sich dabei wohlgemerkt nur um die leibeigenen Männer des Herrn auf Schramberg, also des Rochus Merz. Leibeigene Männer, die anderen Herren leibeigen sind und innerhalb der Herrschaft wohnen, werden in ihren Abgaben als Freie behandelt.
Die Leibeigenen werden eingeteilt in solche, die in der Herrschaft wohnen und solche, die außerhalb wohnen und andere Herren als Obrigkeit anerkennen.
In einer Bemerkung am Anfang stellt Rochus Merz fest, daß alle Leibeigenen, Männer und Frauen, in einem besonderen Urbar verzeichnet worden sind. Dieses erste Leibeigenenurbar ist leider nicht mehr vorhanden, wohl aber spätere (von 1656 und von 1718, jeweils mit jahrelangen Nachträgen; die Bücher werden im Archiv der Grafen von Bissingen aufbewahrt). Da die Leibeigenschaft sich nach den Frauen richtet, erscheinen die Nachfahren der Leibeigenen bei den Namen der leibeigenen Frauen. In diesem Urbar sind systematisch alle Personen verzeichnet. Dort werden dann auch die später geborenen Kinder nachgetragen.
Nach dem Tode jedes leibeigenen Mannes, sowohl in wie außer der Herrschaft, ist der sogenannte Leibfall zu bezahlen (beim „Freien“ spricht man vom Totfall). Der Leibfall gilt sowohl für belehnte Untertanen (Bauern auf Seßlehen) wie auch für nichtbelehnte (z. B. Beständer, Nichtgrundstückbesitzer usw.). Der normale Leibfall ist das beste Stück Vieh, das sich zur Zeit des Todes im Stall des Untertans befindet. (Beim Seßlehen hatten sowohl leibeigene wie freie Bauern noch die bei den Bodenzinsen verzeichneten „Fälle“ abzuliefern; der Leibfall wurde erst nach diesen Fällen geschätzt und eingezogen; die Hoffälle wurden also zuerst entnommen!).
Hat der verstorbene Leibeigene kein Vieh, dann waren die „besten Kleider“ abzuliefern. Damit sind gemeint: Rock, Hosen, Wams und Gewehr (also die Waffen). Unter „beste Kleider“ verstand man die Kleider, die der Verstorbene sonn- und feiertags zum Kirchgang angezogen hatte.
Genau so soll es auch mit den Ungenossamen gehalten werden und zwar in dem Jahr, in dem sich eine Heirat mit Ungenossen ereignet hatte.
Von Weibern
Alle leibeigenen Frauen sind bei den Männern im Leibeigenenurbar einzutragen, wie weiter oben im Urbar bei den leibeigenen Männern klar dargestellt wird.
Bei leibeigenen Frauen, sowohl solche in- wie außerhalb der Herrschaft und gleichgültig ob sie ein Lehengut hat oder nicht, verfällt beim Tod, wegen dieser Leibeigenschaft, ein Leibfall. Auch wenn sie ein eigenes Gut hat, braucht für sie kein Stück Vieh abgeliefert zu werden, sondern – wie für alle anderen leibeigenen Frauen – nur ihr bester Rock, Mantel und Schleier, die sie zurückgelassen hat und die sie zuvor beim feiertäglichen Kirchgang benützt hat.
Hat die leibeigene Frau Lehengüter (als Lehensträgerin), so sind für sie die Hoffälle abzuliefern, wie unter „Bodenzinsen“ verzeichnet.
Heiratet eine leibeigene Frau einen „Ungenossen“, der dem Herrn nicht leibeigen ist (er kann also frei sein oder einem anderen Herrn leibeigen!), so hat sie zwei Gulden Ungenossame zu bezahlen, ein Betrag, der je nach Reichtum oder Armut vermehrt bzw. vermindert werden kann (s. o.).
Die Hochzeit muß in einer Kirche der Herrschaft mit Erlaubnis des Herrn erfolgen, außerhalb nur bei ausdrücklichem Konsens, der etwa bei „ehehaften Sachen“ (Ehe = zeitlich nicht begrenzter Vertrag!) erteilt werden kann.
Eine in der Herrschaft wohnende leibeigene Frau braucht keine Leibsteuer zu bezahlen. Sobald sie aber nach auswärts verzieht, hat sie jährlich zur Fasnacht eine Fasnachtshenne abzuliefern oder, soweit der Herr dies erlaubt, einen entsprechenden Geldbetrag dafür. Leibeigene Frauen, die nach auswärts ziehen wollen, haben dies dem Herrn anzuzeigen. Sie dürfen nur mit seiner Erlaubnis wegziehen. Sie sind dann eidlich verpflichtet, die Leibsteuer ohne weitere Anforderung jährlich dem nächsten Stabsvogt der Herrschaft zu schicken oder selbst zu bringen. Dies gilt auch für alle Abgaben bezüglich ihrer leiblichen Erben.
Wenn eine leibeigene Frau bei Erreichung des 4o. Lebensjahrs noch unverheiratet ist und ohne eigene eheliche Leibeserben stirbt, dann gilt sie als Hagstolzin. Beim Tod verfällt ihr Erbe zur Hälfte dem Leibherrn, der andere Teil gehört der „Freundschaft“ (= Verwandtschaft).
Die Leibeigenschaft vererbt allein die Frau, nicht der Mann. Kinder von leibeigenen Frauen sind also leibeigen, auch wenn der Ehemann frei ist. Auch für die leibeigene Frau gilt, daß sie den besonderen Schutz, Schirm, Rat und Hilfe durch ihren Leibherrn beanspruchen kann.
Die fünf Stabsvögte sollen die eingegangenen Leibsteuern (früher die Fasnachtshennen, dann die Ersatzgelder) einnehmen und dem Herrn abliefern. Auch bei den Frauen wurde es später so gehalten, daß sie beim Abzug sich der Leibeigenschaft zu entledigen hatten (ein meist stattlicher Geldbetrag), da es sich zeigte, daß der Einzug der Leibsteuern von „auseigenen Leuten“ sehr schwierig war. Dies betrifft auch andere Gelder, die mit der Leibeigenschaft im Zusammenhang stehen.
Im Langen Kirnbach
Beim Tod von leibeigenen Männern und Frauen im Stab Langenkirnbach soll, wie es hier heißt, genau so verfahren werden wie in der Herrschaft Schramberg. Diese Anordnung gilt aber schon ab 1558 nicht mehr, da der lange Kirnbach vertauscht wurde.