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Das Archiv des Genealogen Alfons Haigis
Im Stadtarchiv Schramberg verbirgt sich auch ein kleiner Schatz für den Familienforscher. Dort befindet sich nämlich seit einiger Zeit das Archiv des vor einigen Jahren verstorbenen Heimatforschers und Genealogen Alfons Haigis. Dieser, im Hauptberuf Steuerbevollmächtigter, hat in gut sechs Jahrzehnten ein privates genealogisch orientiertes Archiv aufgebaut, das in der näheren Umgebung seinesgleichen sucht.
Alfons Haigis in seinem Archiv |
Schon in den 30er Jahren interessierte sich der gebürtige Sulgener für die Geschichte der ehemaligen Herrschaft Schramberg. In den 40er Jahren begann er, systematisch Familienforschung zu betreiben. Sie hat ihn bis zu seinem Tod im Jahre 1994 nicht mehr losgelassen.
Die ehemalige Herrschaft Schramberg bildete den Schwerpunkt seiner genealogischen Arbeiten. Doch auch für die umliegenden Orte - hier seien insbesondere Seedorf, Dunningen, Locherhof, Horgen, Stetten und Oberndorf a. N. sowie Triberg, Nußbach, Gremmelsbach und Schonach zu nennen - ist das Archiv Haigis eine ausgesprochen lohnenswerte Anlaufstelle. Es ist seit einiger Zeit Bestandteil des Stadtarchivs Schramberg.
Kirchenbücher und Familienblätter
Bärbel Bantle, die frühere Verwalterin des Archivs |
Die wichtigste Quelle der bürgerlichen Familienforschung sind zweifelsohne die Kirchenbücher, klassischerweise unterteilt in Tauf-, Ehe- und Sterberegister. In diesen Registern verzeichnete der Pfarrer die jeweiligen kirchlichen Handlungen in chronologischer Reihenfolge und versah sie hin und wieder mit kurzen Notizen. Firmungen und lokale Jahrtage sind ebenfalls darin vermerkt. Vereinzelt lassen sich auch längere Ausführungen finden, die z. T. sogar den Charakter historischer Ortschroniken haben. [*] Die Kirchenbücher sind nicht zuletzt deshalb so interessant, weil sie für einen Großteil der Bevölkerung früherer Zeiten die einzigen Aufzeichnungen sind, die wir heute über sie haben. Für die Gegend der ehemaligen Herrschaft Schramberg markiert meist die Endphase des Dreißigjährigen Krieges den Beginn der Kirchenbücher.
Familienblatt des Anton Mayer und der Katharina geb. Haas |
Ein besonderes Verdienst von Haigis ist es, die Einträge der Kirchenbücher der näheren, vornehmlich katholischen Umgebung systematisch verkartet und in Form von sogenannten Familienblättern aufbereitet zu haben. Unter "Familienblättern" versteht man die Zusammenstellung der Lebensdaten einer Kernfamilie, also der Eltern mit ihren Kindern sowie deren Partner. Durch die namentliche Angabe der Großeltern auf einem solchen Blatt, so sie denn zu ermitteln waren, ist jeweils der Anschluss an die vorherige Generation möglich. Gegenüber der chronologischen Darstellung der Kirchenbücher haben die Familienblätter also den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass sie die Lebensdaten der Familienmitglieder auf engem Raum zusammenbringen und die zeitraubende Suche in den Originalaufzeichnungen bzw. deren Kopie auf Mikrofilmen ersparen. Wer schon einmal einen Blick in die Kirchenbücher früherer Jahrhunderte geworfen hat, weiß, wie mühselig die Recherche angesichts der alten Schriften sein kann und was eine systematische Transkription in heutige Schrift wert ist.
Die Familienblätter, mit denen man es im Archiv Haigis zu tun hat, sind oft handschriftlich - dies gilt insbesondere für die früh angelegten -, später auch mit Schreibmaschine verfasst und in Ordnern alphabetisch nach Familiennamen geordnet. So gibt es z. B. einen Weißer- und einen Reiter/Reuter-Ordner. Die in der ehemaligen Herrschaft Schramberg besonders häufig vorkommenden Familiennamen wie Moosmann oder Kopp sind oft auf zwei Ordner verteilt. Eine Sortierung nach den einzelnen Orten der Herrschaft - bekanntermaßen sind dies Sulgen mit Heiligenbronn, Aichhalden, Lauterbach, Tennenbronn, Mariazell, Hardt und die Talstadt selbst - gibt es dabei nicht, was sich angesichts der recht starken Heiratsbeziehungen innerhalb dieses Gebietes als Vorteil erweist.
Die Ordner enthalten alle Familien vom Beginn der Kirchenbücher bis zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, sofern sie schriftliche Spuren auf dem Herrschaftsgebiet hinterlassen haben. Für die Jahre nach 1800 sind im Archiv meist Kopien der seit der napoleonischen Zeit angelegten kirchlichen Familienregister zu finden, so dass familiengeschichtliche Forschungen in der Regel lückenlos möglich sind. So ergibt sich in genealogischer Sicht ein ziemlich deutliches Bild der Einwohnerschaft der näheren Umgebung von Schramberg.
Auszug aus dem kirchlichen Familienregister Bösingen |
Die Tennenbronner Einträge
Haigis ist nicht mehr dazu gekommen, die von ihm transkribierten Familienblätter binden zu lassen. Lediglich ein Teil, bis zum Buchstaben H, ist in Buchform angelegt. Auf die Abschrift der Tennenbronner Kirchenbucheinträge legte der gelernte Buchhalter allerdings besonderes Augenmerk. Hier fertigte er in 13 Bänden eine Zusammenstellung aller Familien des katholischen Ortsteils an, die von der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis weit ins 20. Jh. reicht. Sie schließt also bequemerweise auch jene Zeit mit ein, für die man bei den übrigen Herrschaftsorten auf die Familienregisterkopien zurückgreifen muss, wobei man sich notgedrungen mit der Kurrentschrift des 19. Jahrhunderts zu befassen hat.
Weitere Schätze
Die Sammlung der Familienblätter ist sicherlich der größte Schatz im Archiv Haigis. Die Bestände erschöpfen sich aber keineswegs darin. Abgesehen von den Familienblättern hat Alfons Haigis auch Abschriften der Amtsrechnungen und der sogenannten Kontraktenprotokolle der Herrschaft Schramberg erstellt. Auch die beiden Leibeigenenbücher von 1656ff. und 1717ff. sowie die Strafprotokolle aus dem frühen 18. Jahrhundert finden sich in einer Transkription. Dadurch, dass Haigis die Einträge aus diesen Quellen meist auch in die entsprechenden Familienblätter einarbeitete, hat er diese nochmals deutlich aufgewertet.
Dass es sich trotzdem immer wieder lohnt, doch noch einmal einen Blick auf die Transkriptionen der Rechnungen, Protokolle und Register zu werfen, zeigt sich im Fall der beiden Leibeigenenregister von 1656ff. und 1717ff. Zwar hat Haigis deren Einträge zu einem größeren Teil ebenfalls in die Familienblätter übernommen, aber es gibt immer wieder versteckte Informationen zu Verknüpfungen, die der Genealoge übersehen oder nicht beachtet hat.
Urkunden aus dem Archiv |
Die Fülle an weiterem Material lässt sich an dieser Stelle nicht systematisch beschreiben. Einige wenige interessante Stücke seien aber herausgegriffen: So weist das Archiv diverse Duplikate der Urkunden zur Stadtgeschichte auf, z. B. Abschriften der Originalurkunden des bekannten Rochus Merz, darunter die Markturkunde der Stadt Schramberg und das schon erwähnte Urbar von 1549. Zu den Raritäten des Archivs gehört auch der von Alfons Brauchle, dem anderen großen Heimatforscher der Schramberger Gegend, verfasste dreibändige Kommentar zum Urbar - ein nur in wenigen Exemplaren verfügbares, gebundenes Typoskript.
Eine Reihe von genealogischen Standardwerken - u. a. das Deutsche Geschlechterbuch (DGB) und das Deutsche Familienarchiv - sowie zahlreiche Ortsfamilienbücher aus Baden und Württemberg bieten dem Genealogen auch über die Region des mittleren Schwarzwaldes hinaus vielfältige Recherchemöglichkeiten. Auch die Forschungen zum regionalen Adel sollen nicht unerwähnt bleiben. So finden sich z. B. neben den Stammtafeln der Familie von Ow auch diverse Forschungsergebnisse zu den Grafen von Bissingen, lange Jahre Besitzer der Herrschaft. Das Archiv beherbergt zudem eine umfangreiche Sammlung an Wappenbüchern, darunter das bekannte mehrbändige Werk von Johann Siebmacher in der Ausgabe von Battenberg (Faksimile-Nachdruck der 1701/05 bei Rudolph Johann Helmers in Nürnberg erschienen Ausgabe) und das Württembergische Adels- und Wappenbuch von Otto von Alberti (1889ff.).
Sammlung an Wappenbüchern |
Wie stellt sich genealogische Forschung heute dar?
Alfons Haigis arbeitete anfangs mit Füllfederhalter, später mit Kugelschreiber und schließlich mit der Schreibmaschine. Zur Arbeit mit elektronischen Medien ist er nicht mehr gekommen. Seit Mitte der 90er Jahre hat sich in dieser Hinsicht natürlich viel getan. So sind eigens für den Familienforscher Programme entwickelt worden, welche die Arbeit mit genealogischen Daten sehr erleichtern. Während die Familienblätter in den Ordnern und Büchern stets nur nach einem Hauptkriterium geordnet werden können - üblicherweise alphabetisch nach dem Familiennamen -, erlauben moderne Genealogieprogramme stets neue Sortierungen, wie beispielsweise nach Geburtsdaten oder Generationenfolgen. Das erleichtert die Suche nach Anknüpfungsstellen natürlich ungemein und ist auch für den Überblick über familiäre Beziehungen hilfreich. Auch die praktische Handhabung, z. B. bei Korrekturen und Ergänzungen, erweist sich gegenüber der Papierform als komfortabler.
Ein weiteres Hilfsmittel ist heutzutage natürlich das Internet. Nicht nur ist es dadurch leichter geworden, mit anderen Familienforschern in Kontakt zu treten. Durch die zum Teil frei zugänglichen Datenbanken, z. B. der Kirche der Heiligen der letzten Tage oder des Vereins für Computergenealogie, ist auch die Suche nach den eigenen Vorfahren deutlich vereinfacht worden.
Die Schriften von Alfons Haigis
Der Schluss gebührt den gedruckten Schriften von Alfons Haigis. Umfangreiche Werke hat er nicht publiziert. Neben einigen unveröffentlichten Manuskripten zur Herkunft und Namensgeschichte der Familie Haigis und diversen Zeitungsartikeln sind allerdings mindestens folgende Schriften erwähnenswert:
- Ahnenbezifferung um 1600.
In: Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde 12 (1965/68), S. 130-133. - Die Herren von Bissingen.
In: Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde 16 (1979/81), S. 231-235. - Die King und König im Raum Schramberg.
In: Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde 15 (1976/78), S. 341-343. - Die Vorfahren des Barockmalers Franz Anton Maulpertsch.
In: Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde 12 (1965/68), S. 148-152. - Ein Heiratsparadies für Vaganten in Schellbronn.
In: Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde 14 (1973/75), S. 294-300. - Ein vorbildlich geführtes Totenbuch.
In: Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde 12 (1965/68), S. 126-130. - Festschrift zur Kirchweihe Sankt Laurentius in Schramberg-Sulgen.
1967. - Fremde und Vaganten im Gebiet der Grafschaft Schramberg (1639-1800).
In: Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde 10 (1949/58), S. 62-75, 139f., 161f., 181f., 194f., 240-242, 276-280. - Die Familien Fichter in der Raumschaft Schramberg.
In: D'Kräz 1 (1981), S. 56-71. - Jubiläumsschrift 100 Jahre Musikverein Sulgen.
1971. - Jubiläumsschrift Männergesangverein "Frohsinn" Sulgen.
1972. - Soldaten in Schramberg. Söldner auf Burg Schramberg und Soldaten im Raume der ehemaligen Herrschaft Schramberg.
In: Archiv für Sippenforschung und alle verwandten Gebiete mit praktischer Forschungshilfe 17 (1965), S. 48-53, 18 (1965), S.128-132, 19 (1965), S. 235-238. - Wann ist Johann Georg Heine geboren?
In: Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde 13 (1969/72), S. 157-160.
[*] Vgl. für die Pfarrei St. Maria: Schmid, Dankwart: Die lateinischen Pfarrerchroniken von Schramberg 1675-1734. In: Schriften des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar 43 (2000), S. 27-90.